Warum AC: Odyssey kein gutes Ende nimmt

Assassin's Creed Odyssey

In Kürze erscheint mit dem dritten Teil des Atlantis-DLC der letzte Zusatzinhalt für Assassin’s Creed: Odyssey. Ich weiß schon jetzt, dass es kein gutes Ende nehmen wird. Denn nach über 150 Stunden habe ich so ziemlich jeden Meter der fiktiven griechischen Antike abgeholzt, entsteint und ihr das Fell über die Ohren gezogen. Ich habe tausende Soldaten, Barbaren und zahlreiche Zivilisten gemeuchelt. Meiner massenmordenden Kleptomanin war keine Schatzkiste zu groß, keine Festungsmauer zu hoch und keine Höhle zu tief. Auf meinem Schiff dürfte vor lauter legendärer Waffen und Rüstungen kaum Platz für die Besatzung sein. Und jetzt?

Von der Göttin zur Unbekannten

Jetzt steht sie da, Kassandra, Adlerfrau und Halbgöttin, inmitten all der Städte und Dörfer, in denen sie so oft mit offenen Armen und großem Staunen empfangen wurde. Dieselbe Kassandra, die noch vor drei Monaten nur eine von vielen war, eine Waise. Ein Söldling am unteren Ende der Nahrungskette.  Auf ihrem Weg durchkreuzte sie die Pläne von Kultisten und Generälen.  Nicht einmal die Götter des Elysion und des Hades waren vor ihr sicher. Für das einfache Volk war sie die Mitfühlende, die Retterin der Armen und Schwachen. Sie klapperte all die geschichtsträchtigen Orte ab, bestaunte das Orakel von Delphi, die Akropolis und die weißen Sandstrände der Ägäis. Ich erinnere mich wehmütig an die Heldentaten, die ich durch sie begehen durfte. Doch plötzlich ist alles anders. Mit Erfüllung ihrer letzten Aufgabe hat sich die Welt verändert.

Nicht ein einziger Charakter, ob Athener oder Spartaner, kennt die große und berühmte Adlerfrau jetzt noch. Niemand würdigt sie auch nur eines Blickes. Nachdem sie so viele Mühen auf sich nahm, um auch dem hintersten Dorf zum Glück zu verhelfen. Nachdem sie Anführer ermordete, gestohlene Familienerbstücke zurückbrachte, Kornspeicher anzündete und seltene weiße Löwen ihres Fells erleichterte – jetzt auf einmal will niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben. Die unablässig emsigen Bewohner der Peloponnes sind fortan dazu verdammt, eine stumme und anonyme Masse zu sein. Nicht einmal Barnabas, der ihr einst sein Schiff überließ, und der jede aktuelle Wendung geschwätzig kommentierte, kriegt noch den Mund auf.

„Nachricht von Sam“ lässt grüßen

Es ist, als sei Kassandra ein Geist geworden. Schlimmer noch: Es ist, als habe es sie und ihre Taten nie gegeben, als sei alles nur ein Traum gewesen. Die gesamte griechische Welt, die ihre Adlerfrau als Heldin feierte, lässt in keiner Weise erkennen, dass es diese Heldin je gab. All die gestürzten Anführer wurden durch beliebige Imitate ersetzt. Die Zerschlagung des Kults, der peloponnesische Krieg, die Abwehr der persischen Eindringlinge – alles nicht mehr von Belang.

Mir, dem Spieler, bleibt nichts anderes übrig, als eine stumme Protagonistin durch eine Welt voller stummer Komparsen zu steuern. Beide, Kassandra und ihre Welt, sind fortan bedeutungslos.

Wie gern würde ich an all die Orte zurückkehren, die ich auf meinen Reisen besucht habe. Wie gern würde ich Bauern wie Könige fragen, wie es ihnen seit meiner Einmischung ergangen ist. Haben sich die Felder erholt, nachdem ich die kranken Pflanzen verbrannte? Konnte die Mutter ihren Frieden finden, nachdem ich den Mörder ihres Sohnes der Gerechtigkeit zuführte? Und was ist eigentlich aus dieser merkwürdigen Seuche geworden, die meine Heimatinsel so schwer traf?

Es mangelt an Respekt

Doch nichts davon kann ich tun. Denn die Entwickler scheinen ihrer eigenen Heldin, und mir als Spieler gleich mit, den Lohn für ihre und meine Mühen nicht zu gönnen. Die Befriedigung, nach getaner Arbeit auf getanes Werk zu blicken, wird ihr und mir nicht zuteil. Das Gegenteil ist der Fall: Mit dem „New Game Plus“ kann ich sogar aktiv alle Entscheidungen, die ich während der Geschichte getroffen habe, rückgängig machen. Damit es nicht nur so aussieht, als ob ich gar nicht da gewesen wäre. Härter kann man mir meine 150 Stunden Wertschätzung gar nicht mit dem flachen Handrücken ins Gesicht schlagen.

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